Oksana Zmyevska
Wie viel Schwarz, Figur oder Hintergrund verträgt das Bild? Malen ist mein alltägliches Ritual mit vielen Fehlversuchen und seltenen, aber lohnenden Flügen.
Als Kind war ich sehr verträumt und ich habe nach Mitteln gesucht, mich auszudrücken. Und ich habe früh gemerkt, dass Menschen Malen sehr viel Spaß macht. So richtig losgegangen ist es bei mir mit siebzehn, als ich begonnen habe, Malerei zu studieren. Ich habe es mir zugemutet, den Weg einer Künstlerin zu gehen und ihn zu gestalten. Ich fragte mich, ob mich diese unsichtbare Welt, die auf die Leinwand gelangen könnte, faszinieren könnte? Auch fragte ich mich, ob ich nicht meine anderen großen Leidenschaften Schach oder Musik der richtige Weg für mich wären. Aber nein, gegen Farben konnte ich mich nicht wehren, denn ich habe sie einfach geliebt und vor allem verstanden! Ja, man kann Farben verstehen, aber weniger wie eine Sprache, eher als eine Komposition oder gar als eine Art physikalisches Gesetz. Im Laufe der Jahre haben sich diese schmutzig-weichen Farbtöne entwickelt und von den KollegInnen habe ich des Öfteren gehört das meine Farben der Lassnigs Palette ähneln.
Gleich zu Beginn meines Studiums merkte ich, dass die die künstlerische Praxis viel Zeit braucht, vielleicht nicht nur die Zeit um ein gutes Bild zu malen (ich habe eine starke Tendenz, schnell zu arbeiten und in einem Zug zu produzieren), sondern dieses Hineinwachsen. Gute Bücher, Texte und Titel schreiben, Museumsbesuche, Netzwerken, Feedback von Freunden und ein eigenes Thema finden. Lange Zeit hatte ich kein Thema, und auch heute will ich mich nicht mit einem Thema oder Malstill zusammenschweißen. Und doch konnte sich etwas wie ein Thema bei mir einstellen. Ich kann mich erinnern, wie ich das erste „gedehnte“ Bild gemalt habe. Das war im Zuge einer Reihe von live paintings Performances, die ich 2017-2018 in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern gemacht habe. Ich fragte mich, wie ich ein „Performancebild“ malen kann. Ein Performancebild ist ein bisschen wie ein Schattenbild. Wenn die Sonne scheint und auf eine Figur fällt, entsteht ein Schatten. Mit dem Wandern der Sonne ändert sich der Schatten. Die Sonne bleibt ständig in Bewegung, die Proportionen ändern sich, amüsante bis groteske Formen entstehen.
So entstand mein erster „Kopf”, das war ein Portrait des Musikers Adam Green. Ich hatte den Eindruck, dass das Bild viel Interesse geweckt hat und einiges an Potential zum weiterentwickeln enthielt. Es kamen immer neue ähnliche Bilder hinzu.
Verschiedene Längen und Stärkegrade von ganz schmalen bis zu etwas dickeren Figuren (im Idealfall wollte ich sie in alle Richtungen dehnen, nicht nur in die Vertikale): Familien- und Einzelportraits, Tiere, Stillleben vor dem vereinnahmenden breiten und oft etwas flachen Hintergrund. Mir war nicht bewusst, dass diese Bilder eigentlich in einer Maltradition standen, nämlich verwandt der Giacomettis Bildern. Sie treffen aber auch den Zeitgeist, denn durch die Unmengen an Materialen und Botschaften, wird kaum noch etwas wahrgenommen und bleibt meistens weggewischt wie auf Instagram.